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Das boden:ständig-Verfahren Pelhamer See

boden:ständig-Preisträger 2022

Neun Menschen stehen auf einem Grünlandstreifen - im Hintergrund glänzt hinter einem Schilfgürtel der See.
Ein Teil des Teams vor dem sauberen See: W. Kirner (2.Bgm Bd Endorf), J. Überacker u. M. Kirchstetter (AELF-ro), F. Forster (AELF-ip), A. Loferer (1.Bgm Bd Endorf), J. Linner (Landwirt), Th. Kronast u. K. Bräustetter (ALE Ob), R. Hilger (Umsetzungsbegl).
© Ländliche Entwicklung in Bayern/Markus Büttner
Ganz entscheidend ist, dass von Anfang an viele der Beteiligten zu einer ergebnisoffenen Zusammenarbeit bereit waren. Große Runden wie eine Seenkonferenz mit den beteiligten Behörden Wasserwirtschaft, Landwirtschaft und Naturschutz wurden nicht gescheut – mit dem Effekt, dass nicht nur alle in das Projekt einbezogen werden, sondern auch stetig dazulernen: Von Hintergründen der Gewässerbiologie bis zu den gegenseitigen Handlungsspielräumen. So entstand eine vertrauensvolle Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Intensiver Austausch, hierarchiefreie kurze Wege und die gemeinsame Suche nach praktikablen Lösungen führten zu gegenseitigem Respekt. Welchen Effekt dieses Wir-Gefühl auch auf menschlicher Ebene hat, zeigte sich bei der Preisverleihung, zu der die Pelhamer in enormer Mannschaftsstärke antraten - „Weil alle wichtig sind“ – und jede Menge Energie und Dynamik mitbrachten.
Oder daran, dass Bürgermeister Hans Murner es sich auch nicht nehmen lässt, selber den Bagger zu bedienen, wenn’s pressiert.
Alle drei Kommunen stellen ihr Netzwerk vor Ort zur Verfügung und unterstützen politisch durch Teilnahme der Bürgermeister im Vorstand der TG und in der täglichen Arbeit durch ihre Gemeindeverwaltungen und Bauhöfe. Bei den Ingenieurökologischen Maßnahmen übernimmt jede Kommune für Maßnahmen auf ihrer Flur 20% der Grunderwerbs- und Ausführungskosten. Die Maßnahmenflächen gehen ins Eigentum der Kommunen über und werden von ihnen künftig gepflegt.

Da von vornherein absehbar war, dass es eine große Aufgabe sein würde, die Wasserqualität nachhaltig zu verbessern, wurde früh beschlossen, auf mehreren Ebenen anzusetzen:

Bewusstseinsbildung: Versammlungen, Informationsfahrten, persönliche Gespräche und auch mal gegenseitige Fortbildungen führen zu umfassendem Verständnis füreinander. „Alle Seiten vertrauen einander, es ist die Bereitschaft vorhanden, die „anderen“ Seiten nicht nur zu akzeptieren, sondern sie zu respektieren und sie verstehen zu wollen“.

Netzwerkbildung: wurde für Vertrauensaufbau und Synergieeffekte von Anfang an aktiv gestaltet. Dadurch, dass alle entsprechenden Fachstellen wie ALE, TG, AELF, WWA, uNB, LPV sowie die Regierung von Oberbayern die Sache als gemeinsame sehen, gibt es eine gut verzahnte Zusammenarbeit; die z.B. auch mal spontane Messungen ermöglicht, um die Diskussion zu versachlichen.
„So kam z.B. die Frage auf, wie hoch der Eintrag eines Golfplatzes sein könnte. Unter Federführung der Teilnehmergemeinschaft Pelhamer See wurde Kontakt mit dem Golfplatz aufgenommen und vom Wasserwirtschaftsamt eine Beprobung durchgeführt. Die Sorgen der einen Gruppe wurden ernst genommen und eine gemeinsame Lösung gesucht“.

• Anbauversuche zur konservierenden Bodenbearbeitung: 15 Landwirte haben auf ganzen 11 ha im gesamten Einzugsgebiet des Sees Versuche zu alternativen bodenkonservierenden Anbaumethoden wie z.B. dem sog. ‚Hägler-Verfahren‘ unternommen; unterstützt durch eine Anschubfinanzierung des ALE. Erfahrungsaustausch und Öffentlichkeitswirkung übertrafen alle Erwartungen. Natürlich passiert auf den Äckern auch sonst einiges: Allen voran Landwirte wie Sepp Linner passen ihre Fruchtfolgen an, schauen auf den Boden und wo sich auf den Pflug verzichten lässt.

Ingenieurökologische Maßnahmen: werden vor allem an den Stellen realisiert, wo die Bewirtschaftung nicht mehr weiterkommt, wie bei Drainagen. Denn Drainagen ziehen immer Wasser und lösen daher auch immer den im Boden vorhandenen Phosphor, egal wie „oben“ bewirtschaftet wird. Auch bei Starkregenereignissen kommt die Bewirtschaftung an ihre Grenzen, da wirken die Maßnahmen als Puffer. In einem ersten Schritt wurden vom Ingenieurbüro Lenz die Eintragswege der Nährstoffe in den Pelhamer See bestimmt und daraus ein Maßnahmenkonzept u.a. mit Ingenieurökologischen Maßnahmen entwickelt. Derzeit wird das erste Bauprogramm umgesetzt. Als erste zentrale Maßnahme wurde auf 500 m der Doblbach umgelegt; darüber hinaus wurden an verschiedenen Bächen an mehreren Stellen Aufweitungen und Rohröffnungen im Rahmen der Unterhaltung realisiert. Der zweite Bauabschnitt ist bereits in konkreter Planung. Die Pflanzung der Gehölze soll verstärkt gemeinsam mit der Bevölkerung geschehen, um eine emotionale Bindung zum boden:ständig-Verfahren aufzubauen und auch Kleinbewirtschafter wie Gartenbauvereine mit ins Boot zu holen.
„…und die Bestellung der Flächen, die wieder einer landwirtschaftlichen Nutzung zugeführt werden, möchten wir gemeinsam mit den betroffenen Landwirten durchführen, um zu vermeiden, dass die Landwirte mit der Arbeit der Baufirma nicht zufrieden sind“.

Gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit: Herzstück ist eine Berichtsreihe, in der in bisher schon 10 Folgen die verschiedenen Akteure im Wechsel ausführlich aus dem Projekt berichten.

Integration ökologischer Aspekte und Instrumente bei gleichzeitig Flächensparendem Ansatz: Maßnahmen in Synergie mit Ökologie u./o. im Rahmen der Unterhaltung von Vorflutern z.B. lassen sich oft zügiger und flächensparender umsetzen, wie sich an den Bachaufweitungen zeigt. Das bringt Schwung und Mehrwert ins Projekt. So wurden etwa bei den Unterhaltsarbeiten in diesem Jahr verstärkt die ökologischen Komponenten berücksichtigt, dabei aber versucht, wertvollen landwirtschaftlichen Boden zu schonen. Teilweise befinden sich die Gräben auf privaten Flurstücken. Die bei diesen Gräben für die ökologische Aufwertung benötigten Flächen wurden ebenso mit Zustimmung der Eigentümer auf Privatflächen umgesetzt.

Dieser sechste Schwerpunkt entstand aus dem Projekt heraus, genauer mit Rupert Hilger: Mit seinem klaren, lösungsorientierten Blick auch auf die Fließpfade – und die verschiedenen Akteure - wurde der Landwirt aus dem Einzugsgebiet nun zum neuen Umsetzungsbegleiter des Projekts und beerbte damit Pionier Franz Knogler. Auch Projektleiter Thomas Kronast und boden:ständig-Koordinatorin Katharina Bräustetter sprechen die Sprache der Landwirte und setzen sich auf Verwaltungsseite engagiert ein.

Um keine Strohfeuer zu entfachen, sind derzeit keine weiteren Schwerpunkte geplant, sondern sollen die bereits etablierten fortgeführt und weiterentwickelt werden, damit sie langfristig ohne Unterstützung von außen funktionieren.

Der Pelhamer See ist mittlerweile in einem gutem ökologischen Zustand.
Die Gemeinschaft macht trotzdem weiter – damit das auch so bleibt, und weil immer noch Luft nach oben ist. Denn mit der Zeit merken auch die Skeptiker, dass eine gemeinsame Lösung gesucht wird, bei der sich alle einbringen können
- und tatsächlich niemand die Schuldfrage stellt.



Weitere Informationen:
  • Das boden:ständig-Projekt Pelhamer See
  • Artikelserie zum boden:ständigen Vorgehen am Pelhamer See, Folgen 3, 6, 8, 9, 10)
  • Artikel über den pfluglosen Maisanbau u.a. am Pelhamer See in der aktuellen "Schule und Beratung" (S.11ff)
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