Torfböden bauen sich bei Grünlandbewirtschaftung um 0,5-3cm pro Jahr ab, das bedeutet einen Bodenabbau in einer Tiefe von 30 cm bis zu 1,80 m in nur zwei Generationen, also in ca. 60 Jahren. Nachdem die meisten Moore bereits vor 60-100 Jahren kultiviert und entwässert wurden, ist oft nur noch eine geringe Torfauflage vorhanden. „Dann ist auch die landwirtschaftliche Bewirtschaftung am Ende, weil der im Voralpenland häufig darunter liegende Seeton bewirtschaftungsfeindlich ist. Deshalb ist eine Umstellung auf moorschonende Bewirtschaftungsverfahren dringend erforderlich,“ so Pflügler. Bei einem Anstau der Dränagesysteme bis auf ca. 10 cm unter Bodenoberkante kann der Torfabbau stark reduziert werden. Damit ist aber auch eine Umstellung der Grünlandgräser auf Sauergräser (Seggen) oder Rohrglanzgras notwendig.
Aber was anfangen mit Sauergräsern und Rohrglanzgras? Hier kommt die Bauindustrie ins Spiel. Besonders die Zimmerer haben nach Auskunft von Peter Aicher, Präsident des Landesinnungsverbands des Bayerischen Zimmerhandwerks, großes Interesse an Platten aus regenerativen Materialien, wie Rohrglanzgras, weil damit ein hohes Energie-Einsparpotential in der Baubranche erreicht werden kann. Eine Bauzulassung soll bereits dieses Jahr erfolgen. Der Wasserstand wird vor der Beerntung abgesenkt, sodass eine Bewirtschaftung kein Problem ist. Mit 8-10 Tonnen Trockenmasse je Hektar ist zur rechnen. Während Seggen sich als Grundstoff für dauerhafte Bauplatten eignen, kann Rohrglanzgras auch als Futterzugabe für Rinder genutzt werden.
Aber nicht nur in den Platten wird CO2 gebunden. Neue Untersuchungen der HSWT zeigen, dass bei einem permanent hohen Grundwasserstand, der bei Seggen eingehalten werden kann, zusätzlich ca. 10 Tonnen CO2-Equivalent im Boden festgelegt werden können. Als Nebeneffekt wird der Nährstoffeintrag in die Gewässer reduziert.
Die teilnehmenden Landwirte begrüßten diese Initiativen sehr, wollten aber noch einige Fragen geklärt wissen, bevor sie einen Umstieg wagen, zum Beispiel: Wie funktionieren die Ansaat und Beerntung bei Paludikulturen bei einem großflächigen Anbau?
Das Hauptanliegen betraf die Rentabilität und eine gesicherte Abnahme. Umgekehrt wird die Industrie in eine Plattenproduktion erst einsteigen, wenn ausreichend Flächen für den Anbau und damit Rohstoff für die Produktion zur Verfügung stehen.
Um einer realen Umsetzung näher zu kommen, erarbeitet das Amt für Ländliche Entwicklung Oberbayern im Rahmen der Initiative boden:ständig zusammen mit Kommunen erste Anbauversuche außerhalb des Versuchsgeländes auf kommunalen Flächen und risikofrei für Landwirte. Mögliche Grundstücke gibt es in den Gemeinden Saaldorf Surheim und der Gemeinde Wonneberg im Einzugsbereich des Abtsdorfer und des Waginger Sees.
Text: Georg Hermannsdorfer
boden:ständig-Exkursion nach Karolinenfeld – Sumpfkulturen als Perspektive für Landwirtschaft, Klima und Bauwirtschaft
Datum
18. Juli 2023
Regierungsbezirk
Oberbayern